Theodor Körner (Zeitungsschnipsel)
Am 22.9.1812
Als ich noch im ersten Sehnsuchtsmorgen
Meine Liebe schweigend in mir trug,
Mein Gefühl, zwar schüchtern noch verborgen,
Doch schon glühend, an die Seele schlug,
Und versenkt in Zweifeln und in Sorgen,
Still der Traum nach Deinen Träumen frug,
Hatt ich keine andere Vertraute
Meiner Wünsche, keine, als die Laute.
Und in ihren goldverschlung`nen Tönen
Suchte ich nach Deiner Stimme Klang
Und mit allem Herrlichen und Schönen,
Was dem Quell der Phantasie entsprang,
Wollt` ich Deinen heil`gen Namen krönen; –
Wenn ich dann in kühnen Liedern sang,
Ließ ich oft, es war ja kein Verbrechen,
Deine Lippen meine Wünsche sprechen.
Aber als des ersten Kusses Glühen
Zauberisch in unsre Herzen schlug,
Fühlt ich Harmonienblitze sprühen,
Fühlt ich in der Träume kühnstem Flug
Paradiesesfrühlinge erblühen! –
Was ich donnernd in der Seele trug,
Konnt ich nicht in kaltes Wort bemauern,
Von der Seele brach`s mit Liederschauern! –
Doch umstrahlt von ungezählten Sonnen
Schwor die Liebe drauf den heil`gen Bund,
Und die Gegenwart mit ihren Wonnen
Schließt berauscht den liebesvollen Mund.
Alle Nebel sind im Kampf zerronnen,
Und der Altar steht auf ew`gem Grund.
Wo die Himmel segnend niedersteigen,
Wo der Mensch jauchzt, muß der Dichter schweigen!
© Theodor Körner