Der erste Schnee
Zählt der Mensch erst zwanzig Jahre,
O wie hebt sich da die Brust!
Frisch das Herz und schwarz die Haare
Singt er nur aus Liebeslust.
Ich hab` ebenfalls empfunden
Diesen Traum der Jugendzeit,
Doch die Stunden sind entschwunden,
Liegen hinter mir schon weit.
Wollte grad was Lust`ges schreiben,
Plötzlich wurde ich gewahr,
Grad fing es an zu schneien
Auf mein Kopf manch weißes Haar.
Da legst Du die Feder nieder
Aus ist`s mit den Liebesliedern
Schreibst Dir lieber ein Kuplee
Mit dem Titel „Erster Schnee“.
Während im Salon im warmen
Mancher singt und scherzt und lacht,
Liegt am Stufen drun` ein Armer
Krank und hilflos in der Nacht.
Hofft das Ende seiner Leiden
Blickt hinauf zu seinem Stern,
Und denkt bitter wie bescheiden
Wird wohl mein Begräbnis wer`n.
Doch ein Engel scheint zu reichen
Ihm den Trost um`s Herz zu lab`n
Sagt ihm freundlich: „Deinesgleichen
Wer`n am herrlichsten begrab`n“
Eine Braut in Kranz und Schleier
Tritt bewegt hin zum Altar
Und beschwört die schöne Feier
Mit dem Wörtchen: „Ja, als wahr“.
Goldnen Schmuckes Glanz und Schimmer
Strahlt sie aus gar wunderbar,
Doch das Herrlichste bleibt immer
S` Myrthenkranzerl underm Haar.
Denn wo unter dunklen Locken
Prangt die Stirne undschuldrein
Sind die weißen Blütenflocken
Glänzender wie Edelstein.
Und der Bräutigam voll Wonne
Blickt er auf die Myrthenkrone,
Wird im Herzen wohl und weh,
Wenn er sieht den ersten Schnee.
Er war einst ein reicher Prasser
Hat geerbt ein schönes Haus,
Trank Champagner wie Wasser,
Freunderl gingen ein und aus.
Doch als dann der Herbst gekommen
War der gute Mann ruiniert,
D` Freunderl die hab`n Abschied g`nommen,
Wie die Schwalbe retiriert.
Haben ihm zurückgelassen,
Das gefühl von bittrem Leid,
Jetzt nun kehrt er gar die Straßen
In der rauhen Winterzeit.
Da, wo er einst reich gewesen,
Steht er jetzt nun mit dem Besen,
Und kehrt weg vor sein`m Palais
Um`s liebe Brot den ersten Schnee.
© Unbekannt