A. L. (Krems a. d.) (Zeitungsschnipsel)
Die letzte Nacht im Elternhaus
Das griff ans Herz und ich vergess` es nimmer!
Es war die letzte Nacht im Elternhaus,
Zieh`n sollt ich mit dem ersten Frührotschimmer
Vielleicht auf ewig in die Welt hinaus.
Noch lag ich schlaflos auf dem weichen Pfuhle,
Denn viel bewegte mir die Junge Brust:
Des Heimwehs Vorgefühl, des Scheidens Schwüle
Und Hoffnung doch und rege Wanderlust.
Da schlug es zwölf, die Lampe brannte trübe
Und leise schritt es durch die Kammertür
Ein Geist erschien mir,
Doch ein Geist der Liebe.
Denn meiner Mutter gleich erschien er mir.
Sie nahte still, als wollte sie nicht stören
Des Sohnes, wie sie meinte, tiefe Ruh.
Ich hörte sie, doch ich schien sie nicht zu hören,
Ich sah sie, doch ich schloß die Augen zu.
Wie nah ihr Odem! Ihre Hände lagen
Auf meinem Haupte, wie schon oft zuvor –
Erlauscht ich auch nicht ihrer Lippen Klagen,
Mein Herz vernahm, was nicht vernahm mein Ohr,
Dann fühlte ich ihre Wangen auf der meinen –
Warum umschlang ich liebvoll sie nicht,
Als ich sie weinen hörte, schmerzlich weinen
Und eine Träne fiel auf mein Gesicht?
Und nochmals neigte sie den Mund, den frommen,
Und küßte leise diese Träne fort.
Drauf ging sie wieder, still, wie sie gekommen –
ich ließ sie geh`n und sprach dazu kein Wort.
Am Morgen schied ich, ohn` ihr zu sagen, was ich geseh`n,
Doch wie ich heilig Gut
Treu hab ich die Erinnerung getragen
Im Herzen, wo des Menschen Bestes ruht
Und dann, als ich nach wechselvollen Jahren
Am offnen Grabe meiner Kindheit stand,
Da hab ich, tief erbebend , erst erfahren,
Was jene Nacht mein Mütterlein empfand.
Und Lieb` und reue, Dank und heißes Sehnen –
Ich kost sie täglich und kost sie nicht aus:
Wohl bin ich glücklich – aber oft in Tränen
Denk ich der letzten Nacht im Vaterhaus
© A. L.